Nachhaltig bewirtschaftete Liegenschaften 
sind oft nicht auf den ersten Blick erkennbar.
Nachhaltig bewirtschaftete Liegenschaften sind oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. (Adobe Stock)
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«Manchmal mangelt es an Bewusstsein»

Wer bei der Bewirtschaftung von Liegenschaften auf Nachhaltigkeit setzt, punktet bei der Mieterschaft und schont die Umwelt. Der Aufwand lohne sich auch wirtschaftlich, betont Immobilienexperte Markus Schuler. 

Interview: Monika Bachmann

Markus Schuler, Nachhaltigkeit ist das Wort der Stunde, auch wenn es um die Bewirtschaftung von Immobilien geht. Warum?
Damit eine Immobilie langfristig wettbewerbsfähig bewirtschaftet werden kann, sollten die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden. Dazu gehören die Eigentümerinnen, die Mieter und die Umwelt. Die Nachhaltigkeit wird auch auf gesetzlicher Ebene zunehmend verankert, sodass sich die Eigentümer*innen dem Thema nicht entziehen können.

Kann man von einem Trend sprechen?
Momentan handelt es sich noch um einen Trend. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich die Immobilienbranche in Zukunft verstärkt in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln wird. Das Thema ist übrigens nicht neu. Die Geschichte zeigt, dass alte Kulturen, die die Bedeutung der Nachhaltigkeit unterschätzten, dem Untergang geweiht waren. Entweder gingen ihnen die Ressourcen aus oder soziale Spannungen führten zu Umbrüchen. In der Schweiz steigt das Bewusstsein seit den 1970er-Jahren. Damals wurde der Umweltschutzartikel in der Bundesverfassung verankert. Ereignisse wie die Ölkrise, das Ozonloch und die Klimaerwärmung haben dazu beigetragen, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit heute in einer breiten Gesellschaftsschicht verankert ist.

Welche Strategie empfehlen Sie?
Bevor es um die Frage der nachhaltigen Immobilienbewirtschaftung geht, sollte der Zweck der Immobilie klar benannt werden: Dient sie als sicheres Zuhause oder soll damit eine langfristige Rendite erzielt werden? Hat sie einen ideellen Zweck oder geht es darum, Freiheit und Unabhängigkeit zu ermöglichen? Die Wahl der richtigen Strategie hängt wesentlich von den Bedürfnissen der Eigentümerschaft ab, denn die Immobilie sollte darauf ausgerichtet sein, deren Ziele und Wünsche zu unterstützen.

Zur Person

Markus Schuler ist Immobilienbewerter und -entwickler, er führt zusammen mit seiner Tochter Muriel Schuler ein Beratungsunternehmen in Luzern, das sich unter anderem auf die Bewirtschaftung von Immobilien spezialisiert hat. Markus Schuler engagiert sich als Berater beim Verband Casafair Schweiz. Dieser setzt sich für klimafreundliches Bauen, gesundes Wohnen, haushälterische Bodennutzung und faire Miet- und Nachbarschaftsverhältnisse ein.

(zvg)

Ist vorgängig eine Analyse angesagt?
Ja, eine Machbarkeitsstudie liefert die Grundlage für wichtige Entscheide: Sie zeigt auf, ob eine Liegenschaft zeitlich befristet abgeschöpft wird, ob sie renoviert oder revitalisiert, abgebrochen und neu gebaut oder verkauft wird. Der Verkauf ist gleichzeitig auch die Exitstrategie, sollte es sich herausstellen, dass die Immobilie nicht nachhaltig in die gewünschte Richtung entwickelt werden kann.

Wie lässt sich eine Immobilie nachhaltig bewirtschaften?
Das Prinzip beruht auf drei Säulen: ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte. Wenn diese Faktoren im Gleichgewicht sind, ist davon auszugehen, dass sich die Mieterinnen wohlfühlen und die Eigentümer eine angemessene Rendite für ihr investiertes Eigenkapital erhalten.

Können Sie das Drei-Säulen-Prinzip näher beschreiben?
Bei den ökologischen Aspekten geht es um erneuerbare Energien sowie die Reduktion des Energieverbrauchs. Es ist zu prüfen, ob die Gebäudehülle gedämmt und die Heizung auf erneuerbare Energien umgestellt werden kann. Auch ein sinnvolles Abfallmanagement lohnt sich. Häufig lassen sich die Grün- und Küchenabfälle auf dem eigenen Grundstück zu Kompost verwerten. Ebenso sollte man die Gestaltung des Aussenbereichs bewusst angehen. Heimische Pflanzen schaffen wertvollen Lebensraum und verbessern den Wasserhaushalt.

Und was verstehen Sie unter sozialer Bewirtschaftung?
Die Eigentümer sollten für die Mieterinnen ein positives Umfeld schaffen und rasch auf deren Anliegen eingehen. Faire und transparente Mieten und eine offene Kommunikation sind zentral. Das stärkt die Beziehungen und führt zu einer höheren Mieterbindung. Auch Barrierefreiheit ist ein wichtiges Element: Wenn die Bedürfnisse von älteren oder behinderten Menschen erfüllt werden, steigert dies den Wert der Liegenschaft.

Weitere Infos

Diese Förderprogramme und Organisationen helfen bei Fragen zur nachhaltigen Immobilienbewirtschaftung weiter:

Zu guter Letzt geht es aber ums Geld.
Auch die ökonomisch nachhaltige Immobilienbewirtschaftung hat einen grossen Stellenwert. Sie zielt darauf ab, langfristig finanzielle Stabilität und Rentabilität zu gewährleisten. Dazu gehört die Budgetplanung: Das Erstellen eines detaillierten Budgetplans, der regelmässige Instandhaltungs- und Reparaturkosten berücksichtigt, ist ein Muss. Es gilt, rechtzeitig in diese Bereiche zu investieren, um teure Reparaturen zu vermeiden. Die Pflege und Instandhaltung sichert den Marktwert der Liegenschaft und erhöht die Attraktivität für die Mieterschaft.

Gibt es Gründe, die gegen eine nachhaltige Strategie sprechen?
Die gibt es: Einige Eigentümerinnen stellen kurzfristige Gewinnmaximierung über langfristige Nachhaltigkeit, oder sie besitzen eine Liegenschaft nur zu Spekulationszwecken. Manchmal mangelt es auch an Bewusstsein. Ebenso können finanzielle Einschränkungen massgebend sein: Die Umstellung oder Erneuerung erfordert Investitionen. Ein weiterer Grund sind Uneinigkeiten. Es kommt vor, dass sich beispielsweise Erben- oder Stockwerkeigentümergemeinschaften nicht auf eine nachhaltige Bewirtschaftungsstrategie einigen können.

Wie lässt sich nachhaltige Bewirtschaftung überprüfen?
Nachhaltig bewirtschaftete Liegenschaften sind oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. Der Begriff wird inflationär verwendet, und nur vereinzelt werden Immobilien einer Zertifizierung wie dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) unterzogen. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass eine Immobilie nachhaltig bewirtschaftet wird, etwa der Zustand der Liegenschaft, faire Mieten sowie eine offene, wertschätzende und transparente Kommunikation zwischen Verwaltung und Mieterschaft.

Lohnt sich der Aufwand?
Auf jeden Fall, denn die Vorteile einer nachhaltig bewirtschafteten Immobilie sind vielfältig: Man hat geringere Betriebskosten, eine höhere Rentabilität, eine positive Wirkung auf die Umwelt und eine stärkere Bindung zu Mieter- und Nachbarschaft. Langfristig kommt es zu einer Wertsteigerung und einem Werterhalt. Wenn Eigentümer die Prinzipien der Nachhaltigkeit in ihre Strategien integrieren, können sie nicht nur zur Verbesserung ihrer Immobilien beitragen, sondern auch zur Schaffung einer nachhaltigeren Zukunft für die Schweiz.

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