«Achten Sie darauf, qualitativ hochwertige Textilien zu kaufen»
Warum ein Stoff nicht per se nachhaltig ist und was einen nachhaltigen Stoff ausmacht, erläutert Claudia Som, leitende Wissenschaftlerin bei der Eidgenössischen Materialforschungsanstalt Empa.
Frau Som, welche Stoffe im Bereich Heimtextilien, Möbelbezüge und Polsterung sind wirklich nachhaltig?
Nachhaltigkeit hängt vor allem von der Langlebigkeit ab. Je länger ein Stoff verwendet wird, desto positiver fällt seine Ökobilanz aus und desto nachhaltiger wird er. Für Langlebigkeit sind eine hohe Funktionalität und Qualität wichtig. Ich erläutere dies am Beispiel Baumwolle. In Indien haben kleinbäuerliche Familien früher auf einem Teil ihres Landes Baumwolle statt Nahrungsmittel angepflanzt. Die daraus gewonnen Baumwollfasern galten als sehr hochwertig, die Kleidung konnte über mehrere Generationen getragen werden. Eine solche Verwendung von Baumwolle ist nachhaltig, selbst wenn der Baumwollanbau wegen des oft hohen Wasserverbrauchs eine vergleichsweise schlechte Ökobilanz in der Herstellung hat. Ein Baumwoll-Bezug hingegen, der rasch seine Farbe verliert und schnell ersetzt werden muss, ist nicht nachhaltig, selbst wenn der Stoff biologisch hergestellt wurde.
Gibt es, bei ähnlicher oder gleicher Langlebigkeit, den nachhaltigsten Stoff?
Studien zeigen, dass sich Materialien bezüglich Umweltwirkung unterscheiden. So schneidet zum Beispiel Leinen vergleichweise gut ab bezüglich Klimawirkung und Wasserverbrauch. Dennoch ist die Wahl des Materials nicht das einzige Kriterium für die Beurteilung der Nachhaltigkeit. Wenn man ein bestimmtes Material einsetzt, weil es für eine bestimmte Anwendung die höchste Funktionalität und damit die grösste Langlebigkeit aufweist, dann ist dies sinnvoll, auch wenn es sich beim Material um Polyester handelt. Innerhalb eines Materials gibt es allerdings unterschiedliche Ressourcenverbräuche und je nach Verarbeitung unterschiedliche Qualität und Funktionalität. Die Herstellung von Baumwolle etwa ist dann am nachhaltigsten, wenn sie in Ländern geschieht, in denen man nicht künstlich bewässern muss. Bei Viskose, die aus Holz gewonnen wird, hängt die Grösse des ökologischen Fussabdrucks auch von der Art des Holzanbaus und der Verarbeitung ab.
Welche Innovationen sind derzeit in Entwicklung?
Die Textil- und weitere Branchen setzen sich intensiv mit Kreislauffähigkeit auseinander. Die Rücknahmefähigkeit von Materialien bleibt eine Herausforderung. Deshalb gibt es Ideen, Produkte nicht mehr zu verkaufen, sondern zu verleihen. Dies gilt für unterschiedlichste Produkte, selbst für Beton. Mit dem Leihsystem behält der Anbieter die Kontrolle über die Qualität des Materials. Dies vereinfacht die Rücknahme und verbessert die Rezyklierbarkeit. Zudem hat er bei einem solchen Geschäftsmodell Interesse an der Langlebigkeit seines Produktes.
Zum Schluss: Was raten Sie Konsument*innen, die ihr Zuhause mit nachhaltigen Stoffen einrichten möchten?
Achten Sie darauf, qualitativ hochwertige Textilien zu kaufen. Es gibt in der Schweiz Möbelhersteller, die auf Langlebigkeit Wert legen. Es lohnt sich auch, nach der Länge der Garantiezeit zu fragen.
Interview: Karin Meier