Themenspezifische Specials
Mit themenspezifischen Specials, welche als zusätzlicher Zeitungsbund erscheinen, bieten die Verlagsbeilagen von Tamedia SonntagsZeitung ihren Leserinnen und Lesern regelmässig einen attraktiven Mehrwert.
Texte: Laura Weissmüller, Christiane Schlötzer, Mareen Linnartz, Max Scharnigg, Anne Goebel, Stephanie Schmidt, Raphael Geiger
Obwohl Kea so mühelos zu erreichen ist – einfach vom Flughafen Athen mit dem Bus zum Hafen in Lavrio, dort zu frittierten Calamares mit Pommes einkehren und dann mit der Fähre und einem Frappé in der Hand eine gute Stunden übersetzen –, ist die Insel unter den Kykladen eine der Unbekannteren. Gut, die Athener haben hier ihr Ferienhäuschen, aber die sieht man kaum, zumindest wenn man auf den Eselspfaden über die Insel wandert. Und das sollte man unbedingt tun. Wie ein filigranes Netz ziehen sich die schmalen Wege über die bergige Insel. Die Blicke, die man bei den einsamen Wanderungen hat, auf die felsige Küste und das türkisfarbene Meer, auf die strahlend weissen Würfelhäuschen der kleinen Ortschaften und die windzerzausten Eichen, machen glücklich. Genauso wie der Duft von Feigen am Ende des Sommers – und der Blick auf die Vergangenheit.
Kea ist eine der Inseln mit der reichsten Kykladen-Kultur. Schon die terrassierte Landschaft zeigt, wie hier seit Jahrtausenden mit einiger Mühe der Natur Nahrung abgerungen wird. Genauso beein- druckend ist der Löwe von Kea, eine mehrere Meter grosse Steinfigur, die mehr als 2500 Jahre alt sein soll und als Wahrzeichen und Beschützerin der Insel gilt. Der liegende Löwe hat trotz seiner Grösse etwas Drolliges und wirkt sehr freundlich mit seinen grossen Augen und den Schnurrbarthaaren. Wer mehr von der prähistorischen Kykladen-Kultur auf der Insel sehen will, sollte unbedingt das archäologische Museum besuchen, das mit seiner Sammlung so manche grossen Häuser Europas in den Schatten stellt.
Diesen Strand findet man mit der Nase. Von der Hafenmole geht es 500 Meter nach Süden, da liegt bereits Schwefelgeruch in der Luft. Ein künstlicher See, einst das Prunkbecken eines prächtigen, leider aufgegebenen Kurhauses, verströmt den Duft, der eindeutig an faule Eier erinnert. Glücklicherweise speist das aus unterirdischen Quellen sprudelnde, bis zu vierzig Grad heisse Thermalwasser nicht nur den Vromolimni, den «stinkender See».
Es fliesst auch ungehindert ins Meer. Ein Trampelpfad führt zu einer von Felsen geschützten weiten Bucht und zu der mit Steintreppen versehenen Badestelle. Der Schwefel bildet weisse Schlieren im Wasser, der Geruch ist viel milder und schon vergessen, sobald man in das hier ganzjährig angenehm temperierte Meer eintaucht. Wo die wohlig warmen Quellen besonders üppig aus den Felsen strömen, sind Seile gespannt, zum Festhalten und Schweben auf den Wellen.
Nicht lange ist es her, da mahnte ein Schild, nicht länger als zwanzig Minuten hier zu baden. Das Schild ist weg, aber das Schwimmen hier macht noch immer müder als andernorts, was an der Mineralmischung liegen dürfte. Diese wird allen empfohlen, die Probleme mit Knochen und Kreuz haben. Wer seine Haut pflegen will, verzichtet auf das Duschen danach. Vasso, die alle nur beim Vornamen nennen, die Chefin der Taverne To Kapileio auf der zentralen Ladenstrasse von Methana, erschnuppert mit Leichtigkeit, ob ihre Gäste vom Baden kommen. Schliesslich umweht sie noch ein feiner Schwefelhauch. Vasso lobt das ausdrücklich und serviert noch einen Rat: Tief einatmen direkt über der Wasseroberfläche, «das tut den Bronchien gut». Dann lädt sie zum Blick in ihre Töpfe und Pfannen ein, denen handfestere Wohl-gerüche entströmen, nach Bohnen und Okra, Lamm und Fisch.
Methanas warme Quellen sind vulkanischen Ursprungs. Schon in der Antike lockte das wundertätige Wasser die Menschen auf die gebirgige Halbinsel an der Ostflanke des Peloponnes. Heute ist Methana, von Piräus per Fähre in zwei Stunden erreichbar, ein Paradies für Naturliebhaber. Es gibt mehr als dreissig Vulkandome, viele teils überwucherte Wanderwege, und warme Quellen sprudeln an mehreren kleinen Steinstränden auch direkt aus dem Meeresboden. Man muss sie nur finden.
In der Rückblende tauchen diese Erinnerungen auf: Wir liegen abends auf der Steinterrasse unseres weiss gekalkten Hauses, hören fortwährend die Wellen an die Küste klatschen, riechen die salzige Luft, es weht ein leichter Wind. Tagsüber lassen wir uns in einem der gemütlichen Taxis über die Insel schaukeln, mal an den Vathi-Strand (sehr gut mit kleinen Kindern), mal an den von Kamares (hier kommen auch die Fähren aus Piräus an). Einmal, die Hitze hat endlich etwas nachgelassen, geht es bei einem Spaziergang hinauf zur früheren Inselhauptstadt Kastro, der Blick schweift über die Insel, die ziemlich hügelig, noch nicht so bekannt und vermutlich deswegen noch nicht so verbaut ist. Also, natürlich kommen Touristen. Aber nicht annähernd in den Massen wie auf Santorini oder Mykonos.
Diese Erinnerungen sind allerdings nicht vollständig. Was unbedingt noch dazugehört, sind die wilden Kapernsträucher, die hier überall wachsen und einem erst mit der Zeit auffallen – und die die Küche der kleinen Insel prägen. Sifnos ist ziemlich berühmt für seine Gerichte: die «Revithada», eine Kichererbsensuppe, oder der «Mastelo», ein Lammeintopf mit Fenchel, unbedingt probieren sollte man auch «Amydalota», Mandelkekse. Besonders lecker aber schmeckt der Kapern-salat, der hier häufig als Beilage angeboten wird und den säuerlich-herben Geschmack der Blütenknospen heraushebt.
Es wundert einen fast nicht, dass einer der berühmtesten griechischen Köche hier 1878 auf dem 2500-Einwohner-Eiland geboren wurde, Nikolaos Tselementes. 1950 gab er das erste umfassende griechische Kochbuch überhaupt heraus, es wurde ein grosser Erfolg und in mehrere Sprachen übersetzt. Seit 2007 ehrt man ihn auf der Insel mit einem eigenen Koch-Festival. An drei Tagen im September treffen sich im kleinen Ort Artemonas Köche von den Kykladeninseln und bereiten ihre Lieblingsrezepte zu. Und, nur so ein Verdacht: Besonders gut schmeckt es bei denen aus Sifnos, der Insel mit den Kapernsträuchen.
Wenn es eine einhellige Meinung unter Griechenland-Reisenden gibt, dann diese: Meide Mykonos! Zu viel Party und Touristenabzocke, dazu bei Sonnenuntergang pseudoromantische Heiratsanträge im Minutentakt. Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man eine knappe halbe Stunde mit der Fähre von Mykonos nach Tinos übersetzt, um dort sehr ursprünglichen Kykladen-Ferien zu machen. Die kleine Insel ist von archaischer Rohheit und wird kontinuierlich von den Winden der südlichen Ägäis zerzaust.
Aber dieser etwas schroffe erste Eindruck hat hier eben auch viel Ursprüngliches konserviert: Die weissen Dörfer an den Berghängen oder geduckt im Inselinneren gehören zu den schönsten und urigsten Griechenlands. Die Volax etwa, ein weiblich gelesenes malerisches Dorf zwischen seltsam kugeligen Felsen, das einst Zentrum der hoch entwickelten Korbflecht-Kultur war und wo auf den uralten Haustüren Gedichte stehen, ist so ein ganz besonderer Ort, von denen es auf Tinos etliche zu entdecken gibt.
Vieles hier ist auf romantische Art wunderlich: Der grüne Strand Pachia Ammos ist durchsetzt mit winzigen, diamantös funkelnden Mineralien. Das Grün selbst stammt vom vulkanischen Mineral Olivin und sorgt für ein besonders malerisches Badeerlebnis. Oder die spektakulären Marmor-Steinbrüche im nahezu unerschlossenen Norden der Insel, die seit jeher Bildhauer anlocken – sogar eine kleine Kunsthochschule gibt es heute im Dorf Panormos, die ganz auf Marmor spezialisiert ist. Allgegenwärtig sind die kunstvollen Taubenverschläge, die zur Kultur der Insel gehören und die als kleine Paläste die Jahrhunderte überdauert haben. Dazu die blühenden Oleander und Rhododendren und die vielen trutzigen Kapellen, die zum sakralen Charakter der Insel als Marien-Wallfahrtsort dazugehören. Diese Mischung an Kuriositäten, oft menschenleeren Badebuchten und herber Schönheit macht Tinos ziemlich unwiderstehlich für alle, die mehr wollen als nur am Strand zu liegen. Und mehr noch als die wenigen Hotels, empfehlen sich als Unterkunft auf Tinos Ferienhäuser in den kleinen Dörfern.
Ankunft auf Korfu: Unten liegt mitten im Meer die Kirche des Vlacherna-Klosters, ein kleiner, weisser Würfel im grossen Blau – und die Flugzeuge donnern direkt darüber hinweg. Die Insel im Ionischen Meer zählt zu den Hauptreisezielen Griechenlands, schon im 18. Jahrhundert kamen die ersten Gäste, und dass sich Kaiserin Sisi hier 1890 ein palastartiges Refugium errichten liess, blieb unter Europas Adeligen nicht unbemerkt. Heute stehen in der Hauptsaison die Sonnenliegen an den beliebtesten Stränden längst mehrreihig.
Kérkyra, so der griechische Name, deshalb gleich links liegen lassen? Wäre sehr schade. Weil hier auf knapp 600 Quadratkilometern genügend Platz ist für beide Welten: touristisch erschlossene Küstenstriche und ganz ländliche, verschwiegene Gegenden. Zum Beispiel an der Steilküste im äussersten Südwesten bei Spartera. Kleine und kleinste Nebenstrassen führen durch eine Szenerie, wie man sie eigentlich nur noch aus lange zurückliegenden Kindheitsferien kennt. Beim verlassenen Kloster Panagia Arkoudila mit dem aufragendem Glockenturm reicht der Blick bis zur vorgelagerten Insel Paxos. Hier führt auch der Corfu Trail vorbei, auf dem man die Insel zu Fuss umrunden kann. Unten am Sandstrand von Arkoudilas gibts nur eine Handvoll Liegestühle, eine kleine Bude mit Getränken, ansonsten: Meer, Sonne, Weite.
Vor ein paar Jahren passierte es auf Koufonisia, einer kleinen Gruppe von Inseln in der Ägäis, dass meine Freundin von einer Klippe sprang. Sie landete ein paar Meter tiefer im Wasser des «Devil’s Eye», einem natürlichen Pool in der Felsenküste, rund wie ein Auge, das Auge des Teufels. Und als sie wieder auftauchte, jubelte sie kurz und rief den beiden Frauen oben, die noch zögerten, zu: «It’s easy! Really!» Wissenschaftler sprechen meines Wissens vom Koufonisia-Effekt. Das leuchtende Wasser macht euphorisch. Ich stand oben neben den zögernden Frauen, ebenfalls zögernd, mit dem Handy den Sprung meiner Freundin filmend, ich habe mir das Video eben noch mal angeschaut. Damals an der Klippe war ich mir so sicher wie selten, ihn gefunden zu haben, den Sommer. Und sie hatte ich auch gefunden, zwölf Monate später haben wir geheiratet. Aber das nur nebenbei.
Falls Sie sich dieses Jahr also auf die Suche nach dem Sommer begeben, empfehle ich eine Reise zum Auge des Teufels. Mit der Fähre aus Piräus oder Naxos, einen Flughafen hat Koufonisia nicht, es leben ja kaum 400 Menschen hier. Sie werden noch beim Einlaufen in den Hafen, beim Blick aufs Meer, bemerken, dass es sich hier ohne Schnorchel schnorcheln lässt, das Meer ist transparent, also leuchtend türkis transparent. Ich habe noch nie eine solche Farbe gesehen, als hätte man einen Fotofilter im Auge, Koufonisia-Farbe. Schnorcheln könnten Sie, auf der Insel angekommen, trotzdem, nein, Sie sollten es, wenn Sie mal sehen wollen, wie viele Farbtöne ein Oktopus besitzt. Wieder an Land schauen Sie aufs Wasser, jubeln kurz, halten sich dann bitte links, gehen von Strand zu Strand, so lange, bis Sie kurz vor der Lagune von Pori stehen. Da sind Sie schon um die halbe Insel gekommen. Das Auge des Teufels befindet sich rechts des Wegs, zu erkennen an den Klippenspringern. Und den Springerinnen. It’s easy.
Ich bin nach ihr auch noch gesprungen, ehrlich. Ach so, Moment: Wenn es dunkel wird im Dorf, dem einzigen, dann gehen Sie doch ins «Koufochorio», setzen sich auf den Balkon der Bar und betrachten die Milchstrasse. Und wenn Sie mögen, bestellen Sie ein Getränk mit Rum. Das hat sich in solchen Momenten bewährt, wenn man merkt, dass man ihn nicht mehr suchen muss, den Sommer.
Eigentlich wollten wir weiter, nach fünf Tagen spätestens. Zeit genug, so dachten wir, um sich mit einer gerade mal 48 Quadratkilometer grossen Insel bekannt zu machen. Den Plan haben wir schnell verworfen, auf Skiathos war es einfach zu schön.
Vielleicht starb der Plan schon am Ankunftstag, beim Bummel durch die Gassen des auf einem Hügel gelegenen Hauptorts Skiathos-Stadt: gepflegte weisse Häuschen mit blau gestrichenen Türen, Fensterläden und Balkonen. Dann ein Spaziergang hoch zur Kirche Agios Nikolaos, von wo aus der Blick über die roten Ziegeldächer der Altstadt bis zur winzigen Halbinsel Bourtzi reicht. Wandern und die artenreiche Flora der Insel erkunden kann man auf zahlreichen Routen. Unsere Lieblingstour: eine Rundwanderung auf alten Maultierpfaden, vorbei am Kloster Kechria zum sogenannten Zauberwald mit uralten Platanen und Farnen.
Nur eine halbe Stunde dauert es, mit dem Tragflächenboot zur Nachbarinsel Skopelos überzusetzen. Wir schafften in den zweieinhalb Wochen Ferien nicht mal das. Düsten lieber öfter mit dem Roller los, um Badeplätze zu erkunden. Lagen stundenlang nach einer Wanderung im Sand des Agia-Eleni-Strandes und liessen den Blick zwischen den mit Pinien und Macchia bewachsenen Felsen und dem Meer schweifen, bis die Sonne als roter Ball ins Meer abtauchte. Unsere Favoriten aber waren die kleinen, versteckt liegenden Buchten, die nur zu Fuss zu erreichen sind. Ein Halt hier, um den knorrigen Stamm eines besonders stattlichen Olivenbaums zu bestaunen, einer dort, um den würzigen Geruch des Pinienwalds einzusaugen. Zur Erinnerung nahmen wir Zapfen mit nach Hause. In diesem Frühjahr tauchten sie in einer Kiste plötzlich wieder auf – ein Zeichen. Spätestens nächstes Jahr fahren wir wieder nach Skiathos.
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